Im Porträt: Vera Flecken

24.03.2014
Vera Flecken begleitet seit 2010 als Expertin das Kinderzentrum „Nadeshda“ bei der Verbreitung von Umweltmanagementsystemen in Belarus. In Deutschland ist Vera Flecken mit der Beratungsagentur „Flexum“ auf den Aufbau zertifizierter Umweltmanagementsysteme in kirchlichen, diakonischen und caritativen Einrichtungen spezialisiert. Anfang März 2014 war sie erneut im Zentrum „Nadeshda“, um an der Konferenz zum Ausbau des Netzwerks „Weißer Storch“ teilzunehmen.

Frage: Was hat Sie veranlasst, sich an dem Aufbau von Umweltmanagementsystemen in Belarus zu beteiligen?

 

Antwort: Nachdem ich in der Vergangenheit den Aufbau von Umweltmanagementsystemen in Deutschland, Frankreich und Österreich begleitet habe, war es für mich spannend zu sehen, ob und wie unsere Erfahrungen für den ganz anderen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Kontext von Belarus brauchbar waren bzw. was ich daraus für unsere heimischen Projekte lernen konnte. Mein primäres Interesse ist das am osteuropäischen Kulturkreis und der russischen Sprache gewesen. Ich hatte mich vorher nicht zum Thema „Tschernobyl und seine Folgen“ engagiert und war eher überrascht, wie weit die Folgen dieser Katastrophe auch heute noch das Leben und die Gesundheit der Menschen in Belarus beeinträchtigen.

 

Frage:  Warum sind aus ihrer Sicht Umweltmanagementsysteme auch für nicht-profitorientierte Einrichtungen wichtig?

 

Antwort: Die zentralen Gründe sind aus meiner Sicht offensichtlich und gelten gleichermaßen für belarussische und deutsche Organisationen:

  • Auch in nicht-profitorientierten Einrichtungen wird Energie für Heizung, Betrieb elektrischer Geräte, Transport etc. verbraucht und teuer bezahlt. Einsparungen sind vorteilhaft für die Umwelt, aber immer auch für den Haushalt.
  • Die wesentlichen Umweltauswirkungen von nicht-profitorientierten Einrichtungen liegen oft im positiven Bereich: Schulen wirken über die Bildungsarbeit in das Privatleben von Schülern und Eltern, Kindererholungsheime wirken über gesundheitsbewusste Ernährung mit regionalen Lebensmitteln und auch über ihre erzieherischen Angebote auf Bewusstsein und Verhalten der Kinder. Wesentlicher Sinn des Umweltmanagements ist es, diese positiven Effekte systematisch weiter zu intensivieren.

 

Frage: Welche Veränderungen können Sie in den belarussischen Einrichtungen durch die Einführung des Umweltmanagementsystems beobachten?

 

Antwort: Neben den Einsparungen beim Ressourcenverbrauch können wir insbesondere feststellen, dass sich die Zusammenarbeit in den Einrichtungen selbst und untereinander nachhaltig verbessert. Es bilden sich stabile Arbeitsgruppen zum Umweltthema in den Einrichtungen heraus, die aus den verschiedenen Bereichen einer Einrichtung zusammengesetzt sind (Leitung, Verwaltung, Haustechnik, Hauswirtschaft, Pädagogen). Erfreulich war es, zu sehen, dass wir die Umweltmanagementbeauftragten, aber auch andere Mitglieder der Arbeitsgruppe bei verschiedenen Treffen wieder gesehen haben und sich sowohl untereinander als auch zu den belarussischen Beratern und uns vertrauensvolle, stabile Beziehungen entwickeln konnten, die auch in die Zukunft tragen.

Überraschend war, dass der Teil der Umweltbildungsarbeit sehr schnell als wesentlicher Teil in das Umweltmanagement integriert werden konnte. Im Gegensatz zur Arbeit in Deutschland erscheinen uns pädagogische, therapeutische und technisch-hauswirtschaftliche Mitarbeitende „näher beieinander“ zu arbeiten.

 

Frage: Mit welchen Schwierigkeiten haben die belarussischen Einrichtungen bei der Umsetzung des Umweltmanagementsystems zu kämpfen. Welche Schritte sind noch erforderlich, damit der „Weiße Storch“ zu einer langfristigen Erfolgsstory in Belarus wird?

 

Antwort: Unsere Auswertung hat ergeben, dass der notwendige Zeitaufwand ebenso wie in Deutschland größte Hürde ist. Die Beteiligten sehen aber zugleich positive Seiten. Als größter Vorteil wurde der Bewusstseinswandel  bei Mitarbeitenden, Schülern, Gästen genannt. Dies ist ein sehr schöner Erfolg.

Weitere Herausforderungen – neben dem Zeitaufwand -  liegen meiner Meinung beispielsweise in:

  •          den allgemeinen Rahmenbedingungen gesetzlicher und organisatorischer Art, die manchmal den ökologischen Wandel hemmen. Ein Beispiel dafür sind Vorgaben zur Desinfektion von Speiseresten mit chlorhaltigen Mitteln, wofür wir uns andere Lösungen wünschen würden.
  •         der noch nicht ausreichenden Datenlage und -analyse in den Einrichtungen. So ermöglichen Daten über Gesamtverbräuche eines Kindererholungsheims keine Analyse nach der Wärme- oder Stromverbräuche einzelner Gebäude oder Nutzungseinheiten.
  •          einer Weiterentwicklung der strategischen Einbettung von Maßnahmen vor ihrer Umsetzung. Denn nur wenn man weiß, welche Kunden- bzw. Nutzerstruktur man für seine Einrichtung in den nächsten Jahren/Jahrzehnten anstrebt, kann man sinnvolle Investitionsentscheidungen für Sanierungen oder Ausbauten oder auch Anlagen mit hohen Folgekosten, wie z.B. Schwimmbäder, treffen.

Daneben besteht die Herausforderung, das nun entstandene Netzwerk weiter zu pflegen und über eine zentrale Informationsstelle Angebote zu Training und Austausch anzubieten. Nur so wird bleibt die Freude am Umweltmanagement erhalten und kann es gelingen, weitere Einrichtungen dafür zu gewinnen.