Der am 25. April 1984 in Gomel geborene Alexander Antonowitsch erkrankte bereits im Alter von sieben Jahren an Schilddrüsenkrebs. Dank der Tschernobyl-Kinder-Stiftung Japans erhielt er mit 12 Jahren erstmals die Möglichkeit zu einer Kur im Zentrum „Nadeshda“. Aufgrund einer weiteren onkologischen Erkrankung kam er lediglich fünf Jahre später erneut ins Zentrum. In der Folgezeit konnte er bis zu seinem 22. Lebensjahr jedes Jahr in „Nadeshda“ für mehrere Wochen neue Lebenskraft „tanken“. Dabei erfuhr er, dass Wunder wahr werden können.
„Ich wurde in einer ganz normalen Familie geboren. Ich war das zweite Kind, meine Eltern hatten schon eine Tochter. Alles schien planmäßig zu verlaufen, wie man so schön sagt. So blieb es bis 1991. Für uns war nicht 1986 die Zäsur, als am 26. April der Unfall im AKW Tschernobyl geschah. Bei uns war alles gut bis 1991. Ich ging in den Kindergarten, besuchte die Musikschule und bereitete mich auf den Schuleintritt vor. Doch das Leben hatte einen anderen Plan, wie sich zeigte. Der Schilddrüsenkrebs, der sich bei mir rasch entwickelte, unterzog meine Familie einer schweren Prüfung.
Die Ärzte konnten lange nicht verstehen, was mir fehlte. Innerhalb von zwei Monaten brachte man mich – das ist keine Übertreibung – in ein Dutzend Kliniken und Fachzentren. Doch nur ein glücklicher Zufall rettete mich und ermöglichte mir eine Operation in Deutschland. Mein vom Leid gedrückter Vater traf zufällig einen Priester, der nach Deutschland flog und sich bereit erklärte, meine Krankheitsgeschichte mitzunehmen. Er übergab diese Dokumente dort und schon wenige Wochen später war ich selber dort. Bereits einen Tag nach meiner Ankunft wurde ich operiert. Die Operation dauerte acht Stunden! Man sagte mir, dass ich Glück hatte. Zehn Tag später folgte eine weitere Operation, die immerhin vier Stunden dauerte … Wie soll ich das schildern? Als Erwachsener lässt sich diese Estafette von weißen Kitteln, Behandlungen und anschließenden Operationen sicherlich leichter aushalten. Aber mit sieben Jahren? Ich bin sicher, dass eine solche Erfahrung Kinder beeinträchtigt. Die entscheidende Frage ist, wie man dagegen ankämpfen kann.
Wie ging es weiter? Meine Familie hoffte, dass wir unseren ursprünglichen Lebensplan doch noch umsetzen könnten. Ich kehrte an die Musikschule zurück und besuchte die Schule. Doch überall gab man mir zu verstehen, dass ich nicht so wie alle anderen war. Die Teilnahme am Sportunterricht wurde mir verboten, beim Essen gab es ebenfalls Einschränkungen. Die Ärzte hatten damals noch nicht die Informationen, die sie heute hatten. Jede Blutdruck- oder Pulserhöhung verunsicherte sie. Dieses Informationsvakuum machten es mir und meiner Familie besonders schwer. Bis ich 1996 ins Kinderzentrum „Nadeshda“ kam. Hier kann selbst ein gesunder Mensch vieles lernen und den Geist der eigenen Weiterentwicklung erfahren. Das Zentrum ist ein rießiges Gelände, weit weg von Städten und Dörfern. Doch innerhalb des Zentrums findet man wirklich alles. Für Kinder, die auf unterschiedliche Weise ihre Gesundheit verloren haben, ist dies ein idealer Aufenthaltsort.
Wenn ich mich an meine erste Bekanntschaft mit dem Zentrum erinnere, dann fällt mir als erstes die positive Haltung der Mitarbeiter ein. Sie verstehen alles – sowohl was die Kinder durchgemacht haben als auch wie man ihnen eine Richtung geben kann! Sie versuchen Dir nicht bloß zu helfen oder Dich mit Trauer in den Augen zu behandeln. Sie geben Dir vielmehr einen Schub in Richtung normaler Lebensrhythmus. Äußerst wichtig ist außerdem, dass Du nicht alleine im Zentrum bist, sondern mit einer Gruppe von Kindern mit den gleichen Problemen, die Dich wie sonst keiner verstehen können. Das alles zusammen wirkt, und wie es wirkt! Vorauseilend möchte ich sagen, dass viele Kinder später den Titel eines „Sportmeisters“ errungen haben und beruflich erfolgreich waren. Dies verdanken sie der „Nadeshda-Formel“, welche die Hoffnung auf ein Wunder wahr werden lässt. Diese Formel funktioniert. Das ist eine Tatsache.
Das Jahr 1996 war für mich der Startschuss in das Leben, die Hoffnung auf Besseres. Doch das Schicksal spielte wieder mit mir. Ende 1996 wurde entdeckt, dass meine Lunge befallen war. Es folgten Dutzende Bestrahlungen und andere Behandlungen. Am Ende waren 80% meiner Lunge tot, mein Gesundheitsverlust wurde mit 73% beziffert, und mir wurde der zweite Behinderungsgrad zugesprochen. Das sind die nüchternen, bitteren Zahlen. Seien Sie ehrlich. Wenn Sie mein Foto nicht sehen würden, dann würden Sie sich ein ganz anderes Bild von mir machen, eines, das Stephen Williams Hawking im Rollstuhl, mit Sprachrohr und stumpfen Augen ähneln würde. Doch die Wirklichkeit ist eine andere! Der Gerechtigkeit halber will ich sagen, dass es auch bei Hawking ungeachtet seines erbärmlichen Anblicks noch ein Leuchten in den Augen gibt. Und mich rettete erneut „Nadeshda“. Nach fünf langen Jahren voller Qualen kam ich wieder in die Welt der „Hoffnung“. Und mir wurde wieder gezeigt, buchstäblich vor die Nase gehalten, dass man zu 100% leben muss.
Ab 2001 bin ich gleichsam wie eine Rakete in den Kosmos geflogen. Ich begann an allem aktiv teilzunehmen. Theater – wunderbar, Sport – einfach ausprobieren, gesellschaftliches Engagement – warum es nicht riskieren, etc. Ich legte einfach die einschränkenden Rahmen ab. Zwischen 2001 und 2008 kam ich jedes Jahr regelmäßig für einen Monat nach „Nadeshda“. Zunächst als Jugendlicher, dann als Assistent des Begleitpädagogen und zuletzt als Begleitpädagoge. Während dieser Zeit wurde ich Meister des Sportes im Thaiboxen, erwarb den ersten Grad im Schwimmen, im Tischtennis und im Armdrücken. Zudem erhielt ich viele Urkunden für meine Theater-Aktivitäten. In „Nadeshda“ traf ich meine Liebe. Jetzt sind wir glücklich verheiratet und haben bereits ein Kind.
Ich habe in „Nadeshda“ viele zuverlässige Freunde gefunden, nicht nur unter den Kindern, meinen Altersgenossen, sondern auch unter den Mitarbeitern. Ich habe hier „Treibstoff“ für mein ganzes Leben erhalten. Auf der Arbeit wundern sich alle, wie man so effektiv arbeiten kann. Ich kann nur sagen: Fahrt nach „Nadeshda“. Dort hält man es für ganz normal, dass man innerhalb einer Nacht ein dreistündiges Konzert für 100 Waisenkinder mit Scherzen, Mini-Spektakeln und anderen Attraktionen vorbereitet.
Welchen Einfluss „Nadeshda“ auf mich hatte? Einen umfassenden.