Der Aufenthalt im Kinderzentrum hat die Wahl meines Berufes beeinflusst

„Ich wurde am 23. April 1987 in der Stadt Narowlja geboren. Das liegt im Gebiet Gomel und ist vom Atomkraftwerk Tschernobyl etwa 150 Kilometer entfernt. Ein Jahr vor meiner Geburt hatte die Reaktorkatastrophe stattgefunden. Damals wurden alle, die in der Nähe von Tschernobyl wohnten, umgesiedelt, auch meine Familie. Allerdings geschah dies erst 1990. Wir kamen nach Nowo Markowitschi, ebenfalls im Gebiet Gomel. Dieses Dorf hat man für die Umsiedler neu gebaut. Natürlich kann ich mich nicht daran erinnern, was nach der Katastrophe geschah. Jedoch hat meine Mutter mir und meiner Schwester viel erzählt. Sie erzählte, wie sie beinahe beim Schwimmen im Fluss gestorben wäre, da sie nichts von der Explosion wusste, wie ihre Verwandten und Bekannten umgesiedelt wurden, wie ganze Dörfer, Häuser, Bäume und Tiere im Erdboden vergraben wurden... Als ich in die Schule kam, machte man mit uns oft einen Tuberkulin-Test. Bei mir fiel er immer positiv aus. Vielleicht hängt das mit der nach der Geburt erhaltenen Radioaktivität zusammen. Außerdem wurde die Schilddrüse mit Ultraschall untersucht. Bei mir war sie vergrößert. Aber alles in allem hatte ich keine besonders ernsten Probleme mit der Gesundheit. Aber ich erinnere mich, dass meine ältere Schwester Natalja oft und schwer krank war. Sie wurde am 30. September 1985 geboren, zum Zeitpunkt der Reaktorkatastrophe war sie weniger als ein Jahr alt.  Sie war schwach und hatte Probleme mit dem Blutdruck. Im Schulsport konnte Natascha wegen ihrer Gesundheitsprobleme nur die Vorbereitungsgruppe besuchen. Meine Mutter hatte danach auch immer starke Probleme mit ihrer Gesundheit, sie hatte oft starke Kopfschmerzen. In der Kindheit waren wir zur Genesung im Sanatorium am Narotschsee, auch einmal in Italien sowie im Sanatorium «Sori Rossii“ in Jalta auf der Krim. Und 1997 hatte ich das Glück, ins Kindergesundheitszentrum «Nadeshda» zu kommen. Meine Familie lebte damals im Dorf Kamenka im Bezirk Kormja. Für meine Schule gab es ein paar Plätze. Nur wenige Kinder konnten fahren. Ich und meine Schwester hatten Glück, da wir aus einer kinderreichen Familie stammen. Der erste Eindruck war unvergesslich! Überall war Schönheit: grüner Rasen, das Zimmer war hell und geräumig, das Personal sehr höflich und nett. Der malerische Wald am Ufer des Wilejka-Stausees hat mich verzaubert. Im Zentrum haben wir Kinder uns nicht nur erholt und wurden medizinisch behandelt. Wir hatten auch ein tolles Freizeitprogramm mit Sport, Basteln und Singen. Am meisten hat mir der Wilejka-Stausee gefallen, ich war beeindruckt von seiner Größe und Klarheit. Ich erinnere mich, dass ich etwas krank war und einige Zeit im Zimmer verbringen musste, doch selbst dies hat meinen positiven Eindruck nicht beeinträchtigt. In „Nadeshda“ lernten meine Schwester und ich Eva aus Österreich kennen. Wir haben uns noch lange geschrieben, doch dann ist der Kontakt abgebrochen. Natürlich würde ich den Kontakt gerne wiederaufnehmen. Später habe ich als Lehrerin für belarussische Sprache und Literatur gearbeitet. Der Aufenthalt im Kinderzentrum hat die Wahl meines Berufes beeinflusst. Denn seitdem ich dort gewesen war, wusste ich, dass ich eines Tages mit Kindern arbeiten wollte. Aber ich habe nur vier Jahre -  von 2008 bis 2012 -  gearbeitet. Mit der Geburt meiner Tochter Weronika musste ich meine Arbeit niederlegen und mich um sie kümmern. Ich habe von Erwachsenen oft gehört, dass sich Tschernobyl erst nach 30 Jahren zeigen wird. Vielleicht liegt es ja daran, dass meine Tochter so sehr mit ihrer Gesundheit zu kämpfen hat. Sie kam bereits krank auf die Welt, drei Monate nach ihrer Geburt erlitt sie den ersten Krampfanfall. Mein Mann und ich tun seit 3,5 Jahren alles uns Mögliche, damit Weronika gesund wird. Ihre vollständige Diagnose kann ich nicht einmal aussprechen, die Schlüsselbegriffe sind Kinderlähmung und Epilepsie. Unsere Weronika ist sehr klug, versteht alles. Aber sie kann nicht sprechen, nicht gehen, nicht sitzen. Die Ärzte wissen nicht, wie man ihr helfen könnte. Sie sagen, dass Weronikas Krankheit womöglich genetische Gründe hat. Aber in unserer Verwandtschaft gab es nie so einen Fall. Derzeit ist es mein sehnlichster Traum, mit Weronika Hand in Hand zu gehen. Ich will ihr die schönsten Stellen unseres Landes zeigen. Mein größter Wunsch ist es, mit ihr zur Kur nach «Nadeshda» fahren zu können. Das wird wahrscheinlich schwierig, weil viele Sanatorien sie wegen ihrer schwierigen Diagnose nicht aufnehmen wollen. Aber wenn ich an meine Zeit in «Nadeshda» denke, dann wird es mir warm ums Herz. Es war dort wirklich toll. Ich möchte den Mitarbeitern danken für die hervorragende Unterbringung, die leckere Verpflegung sowie die gut ausgewählten medizinischen Behandlungen und die hohe Erholungsqualität. Mein besonderer Dank gilt außerdem den ausländischen Partnern. Sie haben durch die Gründung des gemeinsamen belarussisch-deutschen Projektes „Nadeshda“, dessen Ziel die Rehabilitation von Kindern ist, sehr viel geleistet, um unsere Gesundheit zu stärken. Es ist so wichtig, den Kindern, die in den Tschernobyl-Regionen wohnen, zu helfen, an ihre eigenen Kräfte zu glauben und weiterzuleben. Das Kinderzentrum „Nadeshda“ soll auch weiterhin als eine der besten Einrichtungen in Belarus für die Erholung der Kinder funktionieren. Vom ganzen Herzen wünsche ich den Mitarbeitern Gesundheit, Geduld und Gedeihen, am Arbeitsplatz wie auch im Privatleben. Ich bin sehr dankbar für alles. Den Kindern, die nach „Nadeshda“ zur Erholung kommen, will ich nur eins wünschen: GESUNDHEIT alles großgeschrieben!!!“