Wie kam das Unglück in unser Leben? Auch wenn wir uns darauf vorbereiten, so ist das immer ein Schock. Das Gefühl des schweren Verlustes, des unendlichen Schmerzes und des Kummers. Wie kommt das Unglück zu jedem von uns? Welche Leute treffen wir und welche Worte hören wir? Die Worte der Unterstützung und des Mitgefühls. Und was können wir sagen, wenn das Unglück zu Hunderten Leuten kommt? Oder zu Tausenden? Was können wir sagen und welche Unterstützung leisten? Und wie groß können die Ausmaße der Tragödie werden? Und wie unvergleichbar groß kann menschliches Leid sein? Die Tschernobyl-Katastrophe hat uns überraschend erreicht. Wer von den Einwohnern in Belarus oder in der Ukraine war darauf vorbereitet? Eine warme Aprilnacht hat das Leben von Tausenden Menschen in zwei Hälften geteilt: vor und nach der Tragödie. Die Menschen haben nicht gleich darüber erfahren. Diese Neuigkeit war für alle überraschend. In den Köpfen der Menschen entstanden tausende Fragen: was tun? Wie soll man weiterleben? Wohin fliehen? Wie kann man sich retten? An diesem denkwürdigen Tag war ich etwas über drei Monate alt, meine Eltern waren achtundzwanzig. Der Vater hat über die Havarie bei seiner Arbeit erfahren. Meine Mama und ich waren im Dorf Zwenjatskoje - bei der Großmutter. Dort war auch ihre Schwester aus Russland mit drei Kindern. Der Vater kam am nächsten Morgen, hat die Taschen gepackt und uns nach Chojniki gebracht. Sein Freund hat uns von dort mit seinem Auto nach Gomel gebracht. Meine Mutter erinnert sich: unsere Stadt - gewöhnlich ruhig und friedlich - war um sechs Uhr morgens voll von Menschen und Autos. Alle wollten möglichst schnell weit weg fahren. Die Tickets zu den weit entfernten Orten waren bald ausverkauft. Überall war Unruhe und Furcht zu spüren. Auf den Straßen waren Milizmitarbeiter, sie haben die Autos durchsucht und die Leute gefragt, wohin sie fahren und warum. Man hat meine Familie und mich in die Stadt Klinzy des Gebiets Brjansk gebracht – dort lebte die Schwester von meiner Mutter. Wir haben dort den ganzen Sommer verbracht und sind erst im September nach Chojniki zurückgekommen. Ich war in der Schule, als die von der Katastrophe betroffenen Kinder jedes Jahr zur Erholung in die Kinderzentren und Sanatorien geschickt wurden. Ich bin viel gereist, war in den Kinderzentren „Shdanowitschi“, „Seljonyj Bor“, „Lesnaja poljana“ sowie in den Sanatorien „Primorskij“ in der Stadt Anapa und „Solotoj kolos“ in der Stadt Tuapse. Aber am stärksten ist bei mir das Kinderzentrum „Nadeshda“ im Gedächtnis geblieben. Es hat nicht nur mich so stark beeindruckt: die Hälfte der Glückspilze aus meiner Klasse, die mit mir zusammen dort waren, erinnern sich an diese Erholung mit warmen und zärtlichen Gefühlen. Was es dort besonderes gibt, fragen Sie? Alle Erholungszentren sehen angeblich gleich aus. Aber das ist nicht wahr: „Nadeshda“ ist einzigartig schon allein deswegen, weil hier keine Gebäude sind, sondern „Häuser“. Dabei haben wir uns in diesen Häusern wie zu Hause gefühlt. In „Nadeshda“ durften wir selbständig die Tische zum Mittagessen decken, konnten bei sehr interessanten Pädagogen lernen, die Zirkel besuchen. Alles Dinge, von denen wir in unserer Stadt nicht zu träumen wagten. Aber die beste Atmosphäre hat unsere Erzieherin geschaffen: wir sind mit ihr zum See gewandert, haben Schneeball gespielt und hatten dank ihr viel Spaß in der Gruppe. Heute frage ich mich: woher hatten diese Menschen, die diese gemütliche Atmosphäre für uns geschaffen haben, so viel Wärme und Fürsorge? Sie haben uns Kinder einfach umsorgt! Und wir haben sie während stiller Zeiten durch das Fenster beobachtet und wenn im Haus ein echter Leiter ist, der die Kindern zum Spielen anregt, dann ist das Haus erfüllt von Kinderlachen und Glück. Es war sehr traurig für uns, uns von den lieb gewordenen Mitarbeitern trennen zu müssen. Danach hat unsere Klasse noch mehrere Monate mit der Erinnerung an diese wunderbare und unvergessliche Erholung in „Nadeshda“ gelebt. Als ich im Sommer 2015 die Möglichkeit bekommen habe, in „Nadeshda“ zu arbeiten, war ich sehr beflügelt, in der Erwartung des Treffens mit lieben, bekannten Menschen. Und „Nadeshda“ hat meinen Erwartungen entsprochen! Es gibt natürlich viele neue Mitarbeiter, aber auch die heutigen Pädagogen lieben genauso stark die Kinder, sind genauso kreativ und leiten genauso die Kindergruppen. Und sie sind traurig, wenn die Kinder wieder in ihre Ortschaften zurückfahren müssen. Und sie behalten in ihren Herzen die Liebe zu dieser wunderbaren Einrichtung. „Nadeshda“ ist in der Tat echte Hoffnung! So ein warmes, bezauberndes, freundliches Zentrum gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Es soll noch viele Jahre die Herzen der Kinder mit seiner Liebe füllen.